Wie sich die Bewertung einer statistischen Auffälligkeit und damit eines offensichtlichen Missverhältnisses bei der statistischen Vergleichsprüfung bei psychologischen Psychotherapeuten vornehmen lässt, musste hier das Sozialgericht Marburg (SG) entscheiden.
Die Beteiligten stritten 2011 über die Rechtmäßigkeit eines Regresses von ca. 10.000 € aufgrund einer Einzelfallprüfung der Gebührenordnungsposition (GOP) 23220 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM). Diese ist unter anderem bei laufenden, nach Antragsverfahren gemäß den PT-Richtlinien durchgeführten Kurz- (KZT) oder Langzeittherapien (LZT) abrechnungsfähig.
Der klagende Psychotherapeut erläuterte, dass er praktisch ausschließlich KZT durchführe. Dabei sei der von ihm abgerechnete zwei- bis dreifach höhere Ansatz der GOP 23220 EBM nicht unwirtschaftlich. Es sei jedoch nicht die Wirtschaftlichkeit geprüft worden, sondern die Konformität und Augenscheinlichkeit bestimmter Zahlen. Er sei durch die qualitativ hochwertigere KZT sogar eher wirtschaftlich (im Sinne der Krankenkasse) und effizient (im Sinne der Patienten). lnsbesondere sei es ihm somit möglich gewesen, Wartezeiten für die Patienten zu vermeiden.
Grundsätzlich muss sich das Behandlungs- und Verordnungsspektrum niedergelassener Vertragsärzte und psychologischer Vertragspsychotherapeuten als solches am Wirtschaftlichkeitsgebot nach §§ 2, 12 und 70 Sozialgesetzbuch V orientieren. Eine Vergleichbarkeit des Vertragsarztes und des psychologischen Psychotherapeuten mit seiner Fachgruppe sollte gegeben sein. Ein Rechtsanspruch auf eine verfeinerte Vergleichsgruppe besteht hier nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts allerdings nicht. Insofern kann eine Abrechnung bei laufender Probatorik oder KZT nicht per se eine Unwirtschaftlichkeit im Einzelfall begründen. Der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit kann sich im Urteilsfall damit nur noch auf die Überschreitung der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe und damit die statistische Auffälligkeit gründen. Das SG entschied somit auf eine Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Hinweis: Ob das Leistungsspektrum des geprüften Arztes im Wesentlichen mit dem Leistungsspektrum der Vergleichsgruppe übereinstimmt, ist in jedem Einzelfall neu zu prüfen. Ist eine Fachgruppe nicht hinreichend homogen, weil die Ärzte dieser Fachgruppe überwiegend in Teilbereichen tätig sind, fehlt es der Fachgruppe an einer erforderlichen Homogenität zur Heranziehung der Vergleichsgruppe. Die Prüfungsgremien können in solchen Fällen eine verfeinerte Vergleichsgruppe bilden.
SG Marburg, Urt. v. 30.10.2019 – S 17 KA 47/16