Vorsteuerabzug

Wann einer Gemeinde die Unternehmereigenschaft fehlt

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
22 Mai 2017

Dass Bauvorhaben im kommunalen Bereich auch immer auf umsatzsteuerliche Fallstricke hin überprüft werden sollten, zeigt ein neuer Fall des Bundesfinanzhofs (BFH), in dem eine sächsische Gemeinde einen Vorsteuerabzug von 1,8 Mio. € aus der Errichtung eines Sportzentrums geltend gemacht hatte. Die Turnhalle des Sportzentrums hatte sie für 900 € pro Monat an eine GmbH vermietet, deren Alleingesellschafterin sie (mittelbar) war. Die Gemeinde hatte sich verpflichtet, den handelsrechtlichen Verlust aus dem Betrieb des Sportzentrums auszugleichen. Der GmbH wurde neben dem Betrieb des Sportzentrums auch der Betrieb eines Sportbades übertragen, für das sich die Miete auf 6.000 € pro Monat belief. Der Verlust aus dem Sportzentrum, den die Gemeinde über einen nicht rückzahlbaren Zuschuss trug, betrug pro Jahr zwischen 350.000 € und 663.000 €.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Gemeinde keinen Betrieb gewerblicher Art unterhalten hatte, und versagte ihr den Vorsteuerabzug aus den Bauerrichtungskosten.

Der BFH lehnte den millionenschweren Vorsteuerabzug ebenfalls (vorläufig) ab und verwies darauf, dass die Gemeinde kein Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne war. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist nur dann Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne einer nachhaltigen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübt, die sich innerhalb der Gesamttätigkeit heraushebt. An einer solchen wirtschaftlichen Tätigkeit fehlt es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wenn eine Gemeinde über die von ihr vereinnahmten Beträge nur einen kleinen Teil ihrer Kosten deckt. Gegen eine wirtschaftliche Tätigkeit spricht nach der Europarechtsprechung, wenn die anfallenden Kosten nur zu 3 % aus Einnahmen und im Übrigen aus öffentlichen Mitteln finanziert werden (Asymmetrie zwischen Betriebskosten und den als Gegenleistung erhaltenen Beträgen).

Ergänzend erklärte der BFH, dass bei der Gemeinde zunächst die Unternehmereigenschaft geprüft werden muss, bevor über das Vorliegen eines Betriebs gewerblicher Art entschieden wird.

Hinweis: Der BFH verwies die Sache zurück an das Finanzgericht (FG), das nun noch prüfen muss, ob zwischen Pachteinnahmen und Kosten die (schädliche) Asymmetrie bestand. Zudem muss das FG der Frage nachgehen, ob vereinnahmte Pacht und geleisteter Verlustausgleich direkt miteinander zu saldieren sind, so dass die Unternehmereigenschaft der Gemeinde bereits aufgrund eines fehlenden Entgelts abzulehnen ist. Vorsorglich wies der BFH darauf hin, dass die Gemeinde mangels eigener Unternehmerstellung auch nicht Organträger der GmbH sein kann.

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