Können niedergelassene Kinderärzte haftbar gemacht werden, wenn Patienten aufgrund unterlassener Krankenhauseinweisung Folgeschäden erleiden? Das musste das Oberlandesgericht Köln (OLG) entscheiden.
Im Urteilsfall verstießen gleich zwei Kinderärzte gegen ihre Pflichten, nachdem die Mutter mit ihrer Tochter (Klägerin) aufgrund fortdauernden wässrigen Durchfalls und Erbrechens an mehreren Tagen nacheinander - zuerst am 21.04.2003 - bei den entsprechenden Kinderärzten vorstellig wurde, zuletzt mit dem Hinweis, dass ihre Tochter nicht mehr trinke. Statt weitere Untersuchungen zu veranlassen oder den Säugling sofort in ein Krankenhaus einzuweisen, wurde die Mutter mit Rezepten und teilweise direkt von Arzthelferinnen abgefertigt.
Die Vorstellung der Patientin in einem Krankenhaus hätte laut Sachverständigem dazu geführt, dass sie bei seit längerer Zeit andauerndem Brechdurchfall unter ärztlicher Kontrolle des Krankenhauses und der dort tätigen Ärzte - stationär oder ambulant - geblieben wäre. Dadurch wäre eine sich entwickelnde hypertone Dehydratation rechtzeitig behandelt worden. Lehnt ein Patient eine ihm angeratene Behandlung (z.B. Krankenhauseinweisung) ab, hat ihn der Arzt in einer für den Patienten verständlichen Art und Weise über die Notwendigkeit der Behandlung aufzuklären. Dies gilt vor allem für die Folgen der Unterlassung der Behandlung.
Der Hinweis der zweiten Kinderärztin, es drohe eine Verschiebung der Salze, die nicht mit dem Leben vereinbar sei, sei hier nicht ausreichend gewesen, um den Eltern der Patientin die Dringlichkeit einer weiteren Behandlung zu verdeutlichen. Die Behandlungsfehler seien für den am 25.04.2003 festgestellten Eintritt einer schwersten hypertonen Dehydratation/Toxikose ursächlich geworden. Das OLG machte deshalb beide Kinderärzte als Gesamtschuldner wegen des nachfolgend eingetretenen Gehirnschadens des Säuglings haftbar.
Hinweis: Bei unklarer Herkunft der Beschwerden eines Kleinkindes hat der Kinderarzt entweder weitere diagnostische Mittel einzusetzen oder das Kleinkind zeitnah in ein Krankenhaus einzuweisen. Kinderärzte sollten ihr Praxispersonal klar anweisen, in Fällen unklarer und fortdauernder Beschwerden eines Kleinkindes das Kind erneut dem Arzt vorzustellen. Dabei hat dieser den Eltern die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung in verständlicher Weise zu verdeutlichen. Zudem sollte die Belehrung dokumentiert werden.
OLG Köln, Urt. v. 17.02.2021 – 5 U 110/20