Umstrukturierung im Konzern

Ist die Grunderwerbsteuerbegünstigung unionsrechtskonform?

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
18 Aug. 2017

Für Umstrukturierungen im Konzern hält das deutsche Grunderwerbsteuergesetz eine Regelung bereit, nach der für bestimmte steuerbare Erwerbe infolge einer Umwandlung (z.B. Verschmelzung) keine Grunderwerbsteuer erhoben wird.

Hinweis: Voraussetzung hierfür ist, dass an dem Umwandlungsvorgang ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft beteiligt sind und die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft in Höhe von mindestens 95 % innerhalb von fünf Jahren sowohl vor als auch nach dem jeweiligen Rechtsvorgang besteht.

Der Bundesfinanzhof (BFH) will nun klären lassen, ob diese Begünstigung gegen das unionsrechtliche Beihilfeverbot verstößt, und hat die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens vorgelegt.

Im zu beurteilenden Streitfall war eine AG seit mehr als fünf Jahren Alleingesellschafterin einer grundbesitzenden Tochtergesellschaft, die auf die AG verschmolzen wurde. Das Finanzamt hatte darin einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang gesehen. Der BFH sieht die Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die klagende AG hingegen als grunderwerbsteuerbegünstigt an. Nach Gerichtsmeinung ist es unerheblich, dass die AG nach der Verschmelzung aus umwandlungsrechtlichen Gründen keine Beteiligung an der Tochtergesellschaft mehr halten konnte. Der BFH hat zugleich deutlich gemacht, dass er den Begriff des „herrschenden Unternehmens“ im Sinne der Begünstigungsvorschrift weit fasst. Fraglich ist jedoch, ob die Steuervergünstigung eine unzulässige Beihilfe im Sinne einer Vorschrift aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist. Danach sind selektive Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige verboten. Der BFH will durch sein Vorabentscheidungsersuchen klären lassen, ob die Begünstigungsvorschrift einen solchen unzulässigen selektiven Vorteil verschafft, indem sie nur für Umwandlungen, nicht aber auch für andere Umstrukturierungsmaßnahmen gilt, auf eine Beteiligungshöhe von mindestens 95 % abstellt und eine Mindesthaltedauer von fünf Jahren verlangt. Nach Auffassung des BFH ist die Regelung aber gerechtfertigt.

Hinweis: Sollte der EuGH die nationale Begünstigungsvorschrift als unzulässige Beihilfe einstufen, wäre sie bis zu einer Entscheidung der Europäischen Kommission über die Vereinbarkeit der Steuerbegünstigung mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Dann müssten der Streitfall und die weitere Anwendung dieser Vorschrift bis zu einer Kommissionsentscheidung ausgesetzt werden.

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