Nachlasspflegschaft

Vorfälligkeitsentschädigung als Nachlassverbindlichkeit

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
06 Okt. 2018

Bei einem Erbfall können Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb abgezogen werden, wodurch sich die Erbschaftsteuer reduziert. Hierbei handelt es sich oft um Schulden des Erblassers. Auch die Bestattungskosten und die unmittelbar durch die Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses entstehenden Kosten können abgezogen werden, allerdings nicht die Kosten, die für die Verwaltung des Nachlasses anfallen. Das Finanzgericht Münster (FG) musste entscheiden, ob Vorfälligkeitsentschädigungen zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören.

Im Mai 2013 verstarb die Erblasserin. Da die Erben zunächst unbekannt waren, wurde eine Nachlasspflegschaft angeordnet. Zum Nachlass gehörten unter anderem vier Grundstücke, von denen drei noch mit Darlehen in unterschiedlicher Höhe belastet waren. Im Juli 2013 besichtigte die Nachlasspflegerin die vier Häuser mit einem Sachverständigen. Im Januar bzw. Februar 2014 konnten die vier Grundstücke dann veräußert werden. Die bestehenden Darlehen wurden vorzeitig abgelöst und im April 2014 hierfür Vorfälligkeitsentschädigungen gezahlt. Im Januar 2015 stellte das Amtsgericht zwei gemeinschaftliche Teilerbscheine aus, wonach es insgesamt 29 Erben gab. Der Kläger erbte als Cousin der Erblasserin einen Anteil von 1/8. Die Nachlasspflegschaft wurde daraufhin aufgelöst. In der Erbschaftsteuererklärung machte der Kläger die Vorfälligkeitsentschädigungen als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Das Finanzamt war jedoch der Ansicht, dass die Vorfälligkeitsentschädigungen als Kosten für die Verwaltung des Nachlasses nicht zu berücksichtigen seien.

Das FG gab dem Kläger recht. Sonstige Nachlassverbindlichkeiten sind unter anderem die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Diese Kosten sind abzugsfähig. Zu den Kosten für die Verteilung des Nachlasses gehören insbesondere die Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft. Man muss davon allerdings die Kosten für die Verwaltung des Nachlasses abgrenzen, die nicht abzugsfähig sind. Die in diesem Fall streitigen Kosten dienten aber der Nachlasssicherung und nicht der -verwaltung. Die Vorfälligkeitsentschädigungen stehen zudem in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der Abwicklung bzw. Verteilung des Nachlasses, da eine Herausgabe von vier mit Darlehen belasteten Nachlassgrundstücken an 29 Erben nicht praktikabel gewesen wäre. Auch wenn die Vorfälligkeitsentschädigungen im Rahmen der Erbauseinandersetzung angefallen wären, wären sie abzugsfähig gewesen. Daher kann für eine vorzeitige Ablösung im Rahmen einer zeitlich vorgelagerten Nachlasspflegschaft nichts anderes gelten.

Hinweis: In einem vergleichbaren Fall hat das Finanzgericht Köln anders entschieden. Daher wurde die Revision zugelassen, die inzwischen beim Bundesfinanzhof anhängig ist.

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