Kann ein Arzt seinen Honoraranspruch verlieren, wenn er den laufenden Behandlungsvertrag nach einer Operation kündigt, weil der Patient mit dem Ergebnis der Operation unzufrieden ist? Das musste das Amtsgericht München (AG) entscheiden.
Der Patient im Urteilsfall litt am Grauen Star. Er vereinbarte mit seinem Augenarzt zwei Operationen. Ziel der Operationen war nach Möglichkeit eine komplette Brillenfreiheit und Nahsicht. Zuerst operierte der Arzt das rechte Auge. Das Resultat war statt der vereinbarten Nah- jedoch eine Fernsicht. Der Patient war mit dem Ergebnis unzufrieden und fragte den Arzt mehrfach, wie der Eingriff am anderen Auge ablaufen solle. Daraufhin kündigte der Arzt den Behandlungsvertrag und verlangte die Zahlung der Kosten der ersten Operation in Höhe von rund 2.600 €.
Das AG wies die Zahlungsklage des Arztes als unbegründet ab, weil die Operation am rechten Auge des Patienten für diesen „wertlos“ sei. Der Arzt schulde zwar keinen Erfolg, sondern eine Dienstleistung. Wenn aber der Arzt den Vertrag kündigt, ohne durch vertragswidriges Verhalten des Patienten dazu veranlasst worden zu sein, kann er somit auch keine Vergütung verlangen, soweit der Patient kein Interesse mehr an der Leistung hat.
Bereits die angestrebte Zielkorrektur am rechten Auge sei nicht korrekt erfolgt. Die gewünschte Nahsicht könne also auch nicht mit der weiteren Operation am linken Auge erreicht werden. Das würde zu unterschiedlichen Werten rechts und links und zu Kopfschmerzen führen. Der Arzt konnte sich auch nicht darauf berufen, dass die Beseitigung des Grauen Stars ein selbständig verwertbarer Erfolg war, denn die Beseitigung der Trübung war hier untrennbar mit der verfehlten Nahsicht verbunden. Laut Gericht standen dem Patienten zudem auch Schadenersatzansprüche zu, die ebenfalls dem Vergütungsanspruch des Arztes entgegenstanden.
Hinweis: In der Gestaltung der Behandlung ist ein Arzt relativ frei. Werden aber Ziele vereinbart, wie hier eine Nahsicht, und erreicht der Arzt diese nicht, behält er gleichwohl seinen Honoraranspruch. Nur wenn ausnahmsweise die Leistung des Arztes nach einer Kündigung des Behandlungsvertrags für den Patienten wertlos geworden ist, verliert der Arzt sein Honorar. Wertlos wird die Behandlung zum Beispiel dann, wenn der Patient die Behandlung noch einmal durchführen lassen muss.
AG München, Urt. v. 02.03.2020 – 159 C 22718/18