Cannabis auf Rezept

Welche Voraussetzungen für die Verschreibung gelten

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
15 Dez. 2020

Häufiger streiten sich Patienten mit ihren Krankenkassen über die Kostenübernahme der Behandlung mit medizinischem Cannabis. In welchen Fällen die Kasse die Kosten übernehmen muss und wie der Arzt den Einsatz des Medikaments begründen sollte, zeigt folgendes Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG).

 

Die 1974 geborene Patientin bezog eine Erwerbsminderungsrente. Sie litt an einem stark ausgeprägten Restless-Legs-Syndrom mit massiven Schlafstörungen, einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einer Migräne, einer rezidivierenden depressiven Störung, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung (Borderline) und einem Tinnitus.

 

Ihre behandelnde Fachärztin für Neurologie hatte sie bereits mit verschiedenen Arzneimitteln und nichtmedikamentösen Behandlungen versorgt, ohne bei massiven Nebenwirkungen einen ausreichenden Behandlungserfolg zu erwirken. Laut Arztbrief der Neurologin hielt diese in einem nächsten Schritt „als Ultima Ratio in diesem schweren Fall (…) einen Therapieversuch mit Cannabis in Form von Dronabinoltropfen für indiziert“. Davon erhoffe sie sich eine Verbesserung der Krankheitssymptome und sehe keine andere Alternative.

 

Zum Beleg einer möglichen positiven Einwirkung der Dronabinoltropfen auf den Krankheitsverlauf zitierte die Ärztin mehrere Studien zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms mit Medizinalcannabis. Die Krankenkasse der Patientin lehnte eine Versorgung mit Dronabinol jedoch ab, ebenso das Sozialgericht Neuruppin.

 

Das LSG verpflichtete die Krankenversicherung der Patientin jedoch, die Kosten der Behandlung mit Dronabinol vorläufig - bis zur Klärung des Hauptsacheverfahrens - zu übernehmen. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Versorgung mit Dronabinol lägen vor. Das LSG sah den Arztbrief und den Befundbericht der Ärztin als schlüssig, geordnet, mit Nachdruck und in der Sache überzeugend an. Darin habe sie ausgeführt, dass sämtliche medikamentöse Möglichkeiten angewandt worden seien, ohne bei massiven Nebenwirkungen einen ausreichenden Behandlungserfolg zu erwirken. Aus Sicht der Ärztin sei bei gleichbleibendem Leiden die (nicht)medikamentöse Therapie ausgeschöpft, die Antragstellerin sei diesbezüglich „austherapiert“.

 

Hinweis: Für den Patienten ist es sinnvoll, bereits vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Leistungsanfrage bei seiner Krankenversicherung einzureichen und einen umfassenden Arztbrief bzw. Befundbericht beizufügen.

 

LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.08.2020 – L 9 KR 223/20 B ER

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