Bedrohlicher Befund

Informationspflicht auch nach Behandlungsende

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
12 Mär 2019

Wie ein Arzt zu reagieren hat, wenn er zu einem Patienten nach Ende des Behandlungsvertrags Arztbriefe mit bedrohlichen Befunden und gegebenenfalls angeratener Behandlung erhält, hat der Bundesgerichtshof (BGH) im folgenden Fall klargestellt.

Ein Patient suchte seine Hausärztin mit Beschwerden im linken Bein und Fuß auf und wurde von ihr an einen Facharzt überwiesen. Eine Untersuchung zeigte eine Geschwulst in der linken Kniekehle, die im Klinikum operativ entfernt wurde. Über die Bösartigkeit des Tumors wurde die Hausärztin später mittels Arztbriefen vom Klinikum mit dem Hinweis unterrichtet, der Patient solle in einem onkologischen Spezialzentrum vorstellig werden. Die Hausärztin informierte den Patienten jedoch nicht bzw. erst über ein Jahr später. Erst danach konnte der Patient im Universitätsklinikum weiterbehandelt werden.

Daraufhin verklagte der Patient die Hausärztin. Sie habe die Bekanntgabe der in dem zweiten Arztbrief enthaltenen Informationen an ihn behandlungsfehlerhaft unterlassen. Mit seiner Klage machte er Ansprüche auf Schmerzensgeld, weiteren Schadensersatz sowie Feststellung und Freistellung von vorgerichtlichen Kosten geltend.

Während die Vorinstanz der Klage teilweise stattgab, wies das Berufungsgericht diese ab. Die Ärztin habe keinen groben Behandlungsfehler gemacht. Es sei nachvollziehbar, dass die Beklagte in der gegebenen Situation untätig geblieben sei, so etwas könne unter den gegebenen Umständen im alltäglichen Ablauf passieren.

Der letztinstanzliche BGH sah das anders. Die Hausärztin habe ihre ärztlichen Pflichten verletzt, weil sie ihren Patienten nicht über die Diagnose eines malignen Nervenscheidentumors und die Behandlungsempfehlungen des Klinikums informiert hatte. Sie hätte sicherstellen müssen, dass der Patient von der bedrohlichen Diagnose sowie von den angeratenen ärztlichen Maßnahmen unverzüglich Kenntnis erlangte. Es sei ein (schwerer) ärztlicher Behandlungsfehler, wenn der Patient über einen bedrohlichen Befund nicht informiert werde, der Anlass zu umgehenden und umfassenden ärztlichen Maßnahmen gebe.

Hinweis: Das Arzt-Patienten-Verhältnis endet also nicht mit der formaljuristischen Beendigung des Behandlungsvertrags. Ein Arzt ist also gut beraten, Befundbriefe (grundsätzlich) auch nach Beendigung des Behandlungsfalls an den Betroffenen weiterzuleiten und diese Weiterleitung nachweisbar zu gestalten.

BGH, Urt. v. 26.06.2018 – VI ZR 285/17

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